Die Filmstarts-Kritik zu Wanda, mein Wunder (2024)

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Wanda, mein Wunder

Kritik der FILMSTARTS-Redaktion

3,5

gut

Wanda, mein Wunder

Eine ganze Familie als Pflegefall

Von Tobias Mayer

In der Schweiz gibt es einen riesigen Markt für ambulante Pflege: Agenturen vermitteln Pflegekräfte aus Osteuropa und werben damit, dass alte Menschen zu Hause eine persönliche Rund-um-die-Uhr-Versorgung erhalten können, statt ins Heim zu müssen. In der stargespickten Tragikomödie „Wanda, mein Wunder“ vonBettina Oberli wird das greise Familienoberhaupt Josef von der fürsorglichen und kompetenten Wanda gepflegt.

Der polnische Haushaltszuwachs bringt reichlich frischen Wind in das stolze Schweizer Anwesen am See – löst nebenbei aber auch unbeabsichtigt ein gewaltiges Chaos in der großbürgerlichen Familie aus. Das Ergebnis ist ein größtenteils vergnüglicher Ensemblefilm, der auch den einen oder anderen bitteren Moment nicht ausspart und aus dem die 76-jährige Schweizer SchauspielerinMarthe Keller als nur auf den ersten Blick steinharte Matriarchin noch einmal besonders herausragt.

Die Filmstarts-Kritik zu Wanda, mein Wunder (1)

Mit Wanda kommt auch frischer Wind in das alte Familienanwesen.

Josef Wegmeister-Gloor (André Jung) ist als Chef eines Familienunternehmens mit dem Verkauf von Baustoffen zu Reichtum gekommen. Gemeinsam mit seiner Frau Elsa (Marthe Keller) und dem längst erwachsenen Sohn Gregor (Jacob Matschenz) wohnt er in einer Villa direkt am See. Für mehrere Monate im Jahr lebt außerdem Wanda (Agnieszka Grochowska) mit in dem Anwesen. Sie reist extra aus ihrer Heimat Polen an, um sich in der Schweiz als Pflegerin um Josef zu kümmern, der nach einem Schlaganfall körperlich massiv eingeschränkt ist.

Josef ist begeistert von Wanda. Nicht viel anfangen kann der gesundheitlich angeschlagene Patriarch hingegen mit seinem Sohn Gregor oder seiner Tochter Sophie (Birgit Minichmayr), die mit ihrem Mann Manfred (Anatole Taubman) anlässlich von Josefs 70. Geburtstag angereist ist. Wie bei so vielen Familienfesten brechen auch hier alte Konflikte wieder auf. Aber so richtig Ärger gibt es erst später, als sich herausstellt, dass Wanda von einem Mitglied der Familie ungewollt schwanger ist…

Ein versöhnliches Fest

Der Plot von „Wanda, mein Wunder“ erinnert ein wenig an Thomas Vinterbergs super-bissige Satire „Das Fest“, wo sich bei einer Familienfeier eines ebenfalls runden Geburtstags dermaßen dunkle Abgründe auftun, dass das Zuschauen irgendwann fast schon körperlich wehtut. Bei Bettina Oberli („Die Herbstzeitlosen“), die nicht nur Regie führt, sondern auch das Drehbuch gemeinsam mitCooky Ziesche („Wolke 9“) verfasst hat, dominiert hingegen – aller Bitternis der Familienzwistigkeiten zum Trotz – am Ende dann doch eine versöhnliche Note.

Das liegt zuallererst an Wanda selbst, die von der bisher vor allem in Polen bekannten Agnieszka Grochowska („Child 44“) als einfühlsame, zupackend-pragmatische Frau gespielt wird. Man wünscht jedem pflegebedürftigen Menschen eine Pflegerin wie sie, wobei die Figur dennoch nicht zu einer helfenden Heiligen überhöht wird: Wanda ist ja vor allem gerade deshalb so sympathisch, weil sie auch Ecken und Kanten – und keine langweilig-klischeehaften Engelsflügel – hat. Trotzdem sticht am Ende ausgerechnet die Person am meisten aus dem Ensemble heraus, von der man es zu Beginn am wenigsten erwarten würde: Marthe Kellers Matriarchin Elsa Wegmeister-Gloor.

Die Filmstarts-Kritik zu Wanda, mein Wunder (2)

Familienfoto mit Kuh.

Gleich zu Beginn versucht Elsa noch, der Pflegerin für einen möglichst geringen Zuverdienst auch noch den Haushalt und die Küchenarbeit aufzudrücken. Zudem solle Wanda doch bitte während der Feier in der Küche bleiben und bloß nicht mit den Gästen sprechen. Aber die Theater- und Filmschauspielerin Marthe Keller, die 1976 an der Seite von Dustin Hoffman in „Der Marathon Man“ spielte und auch für Starregisseure wieSydney Pollack undBilly Wilder vor der Kamera stand, lässt die so unsympathisch eingeführte Matriarchin dennoch nicht zur Karikatur verkommen. Stattdessen offenbart sie auch eine verletzliche, herzliche Seite. Mit der Zeit wächst dabei der Eindruck, dass Elsa diesen ganzen bürgerlichen Zirkus um sie herum selbst total lächerlich findet. Natürlich würde Elsa das nie offen zugeben – aber die wunderbar subtil-spöttischen Blicke von Marthe Keller sagen mehr als tausend Worte.

Nicht alle Mitglieder der Familie Wegmeister-Gloor sind so vielschichtig dargestellt wie Elsa. Sohn Gregor etwa, der Spätzünder und Vogelliebhaber, bleibt eher eine Witzfigur – als er Wanda bei der Geburt mit nachgeahmtem Vogelgezwitscher beruhigt, wirkt das auch eher albern als rührend. Und Birgit Minichmayr („Alle anderen“) hat als latent unzufriedene Tochter Sophie, die von Wanda meist nur als „unsere Polin“ spricht, den wahrscheinlich undankbarsten Part, darf den Familienstreit dafür aber in einem erschöpften Moment mit dem trocken-resignierten Satz „Ach scheiße ist das alles scheiße!“ grandios-treffend auf den Punkt bringen.

Kein allzu simples Happy End

Wenn dann in der zweiten Filmhälfte gleich mehrere der köchelnden Konflikte eskalieren und die Familienmitglieder mit lange verdrängten Problemen konfrontiert werden, wird „Wanda, mein Wunder“ mitunter ganz schön bitter. Manche Streits wirken da, als sei eine anschließende Versöhnung ausgeschlossen. Aber Bettina Oberli offenbart eine Menge Sympathie für ihre zankenden Protagonist*innen. Ohne dass sich sämtliche Probleme am Ende einfach so in Wohlgefallen auflösen würden, erweist sich „Wanda, mein Wunder“ dann doch als eine im Kern optimistische Erzählung: Menschen können sich verändern und Familien sich schon irgendwie wieder zusammenraufen – zumindest bis zum nächsten Zank…

Fazit: Eine turbulente Familien-Dramödie mit starker Besetzung.

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